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Keep it lit / Duncan Williamson

 „Keep it lit“ – das war das Motto des 2022er Scottish International Storytelling Festivals, das im Scottish Storytelling Centre in Edinburgh und an weiteren Orten in der Stadt und in ganz Schottland stattfand. Es ist nur ungelenk übersetzbar mit „Lass es an“ oder „Bewahre es“ in Bezug auf Feuer oder Licht. Man kann an eine Fackel denken, die weitergereicht wird, oder an ein Lagerfeuer, dessen Flammen gehütet werden. Laut Urban Dictionary meint “keep it lit” auch ein anfeuerndes „weitermachen, nicht aufhören!“ in Bezug auf diverse freudvolle Ausschweifungen.

Als Festival-Motto war der Spruch natürlich aufs Erzählen gemünzt und passte gut zum selbstgewählten Auftrag des Scottish Storytelling Centers, Tradition zu bewahren und Kulturerbe weiter zu geben (wie hier schon beschrieben).

Aus dem Flyer des Scottish Storytelling Centre

Als dauerhaftes Motto hat sich das Zentrum einen Spruch aus der Kultur der schottischen Traveller gewählt:

„Geschichten erzählt man von Angesicht zu Angesicht, von Verstand zu Verstand und von Herz zu Herz.“

Bei unserem Besuch in Edinburgh und beim Festival 2022 sind wir dann passenderweise in einen Vortrags- und Erzählabend mit Geschichten von und über Duncan Williamson (1928-2007) geraten, einem Angehörigen der fahrenden Leute und dem Grandseigneur der schottischen Erzählkunst.

Ich kannte seinen Namen vorher nicht. Ashley Ramsden, Erzähler und Dozent an der „School of Storytelling“ berichtet in einem Videointerview, dass das Erzählen als Beruf in Großbritannien seit den 80er Jahren wieder populärer als Beruf geworden ist. Besonders einflussreich waren dabei ihm zufolge Sally Pomme Clayton, Hugh Lupton und Ben Haggarty. Ashley erzählt aber auch, dass es bis dahin zumindest in einigen Kreisen eine ungebrochene Erzähltradition gab: Vor allem bei den schottischen Travellern, deren Geschichten und Lieder von Folkloreforscher:innen dokumentiert wurden, während ihre traditionellen Berufe durch technische Neuerungen teils überflüssig gemacht, und ihnen ihre Lebensart von der Mehrheitsgesellschaft immer mehr vergällt wurden. Und der bekannteste und meistpublizierte der schottischen Traveller ist eben Duncan Williamson.

Der Abend im Netherbow-Theater begann mit einer Art erzähltem Fachvortrag von  John D. Niles, der sein gerade erschienenes Buch über Duncan vorstellte. Es besteht in weiten Teilen aus Transkripten von Interviews, die John mit Duncan geführt, für das Buch arrangiert und ein wenig kommentiert hat.

Die Interviews selbst kann man teilweise auch in der großartigen “Scottish Voices Collection” der Universität von Wisconsin-Madison anhören. Dort gibt es auch Fotos, Geschichten und Lieder anderer Bewohner:innen Schottlands.

Heather Yule, Shane Ibbs, Amy Douglas, Linda Williamson

Anschließend (bzw. mit einem Pint Abstand) folgte ein Erzählabend mit Geschichten aus Duncan Williamsons umfangreichem Repertoire. Es war eine unterhaltsame und auch rührende Hommage, denn die Erzähler:innen hatten ihn teils gut gekannt und erzählten zwischendurch auch von ihren Erinnerungen, und was Duncan oder ihnen selbst die Geschichten bedeut(et)en.

Shane Ibbs erzählte von einem Buckligen, seiner besonderen Beziehung zu allen Tieren des Waldes und einer doch nicht unmöglichen Liebe. Linda Williamson sang und erzählte von Schwestern, die sich im Wortsinne in die Haare bekamen. Ein Sohn von Duncan Williamson (Jimmy?) erzählte davon, wie ein Vorfahr der beiden einmal eine Wiege für ein Elfenkind bauen sollte. Heather Yule erzählte und spielte Harfe. Und Amy Douglas erzählte eine Geschichte von magischen Stiefeln so lustig und anschaulich, dass ich sie seitdem sicher im Kopf habe. Der Abend passte damit aufs Schönste auf das Motto “Keep it lit”, denn die Erzählenden haben Geschichten und Erinnerungen geweckt, wachgehalten und neu erschaffen.

Das Kind auf dem Dia links könnte der Erzähler rechts auf der Bühne sein: der Sohn von Duncan Williamson

Falls jemand nachlesen möchte: Im Scottish Storytelling Centre gibt es einen gut sortierten Buchladen. Die Bücher sind aber auch per Versand zu haben. Wer Englisch liest und wen ein paar – in einem Glossar erklärte – Einwürfe aus dem Gälischen und dem Cant der Traveller nicht schrecken der:dem sei auch die zweiteilige Biographie von Betsy Whyte (1919-1988) wärmstens empfohlen. Hier im Internet kann man sie auch noch sehen und hören.

Mar sin leat! Auf Wiedersehen! Denn: Das Festival findet in diesem Jahr am 17.–29. Oktober 2023 statt. Das Motto für dieses Jahr lautet: ‘Right To Be Human’.

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