Workshop
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Menschenschattentheater
Meine erste Bühnenerfahrung habe ich in dem gutbürgerlichen Gymnasium gemacht, in dessen typischer Siebzigerjahre-Betonarchitektur ich bedeutende Teile meiner Jugend verbrachte. Dort gab es eine Theater AG, und ich spielte in einer Aufführung des Stücks „Ferdinand der Stier“ nach Munro Leafs gleichnamigem Kinderbuch mit. Im Chor der singenden Blumen auf der Wiese ging ich dabei ziemlich unter – weit besser gefiel mir meine Rolle als Schlachterin, bei der ich nichts sagen, sondern nur mit blutverschmierter Schürze, Messer in der Hand und fiesem Grinsen im Gesicht über die Bühne laufen musste. Dafür gab es Gelächter und Szenenapplaus. Jahre später nahm sich die Theater AG das Musical „Hair“ vor. Ich hatte den Einstieg…
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Soweit die Stimme trägt
Als wir so langsam unsere ersten und zweiten Impfungen bekamen und die Dritte Welle endlich abebbte, da witterten wir Braunschweiger Erzähler:innen Morgenluft – öffneten vorsichtig die Türen nach draußen und streckten ein paar Fühler in die Sonne – sahen uns gegenseitig mit geschichtenhungrigen Augen an – sprachen leise die ersten Worte – und merkten, dass sie in der Kehle kratzten. Treffendes Werbematerial von Claudia Sonntag Was tun? Ganz klar, ein Stimmtag war angebracht! Und so waren wir gestern zu Besuch bei Claudia Sonntag. Denn Claudia bringt Geier zum singen und Mäuse zum brüllen und hat die richtigen Mittel gegen Kehlen-Rost, Stimmband-Mehltau und sonstige Verstimmungen. Und Claudia hat ganz offensichtlich tolerante…
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Hand und Fuß und Obst
Man hört förmlich, wie knackig und saftig dieser Apfel ist, als die alte Frau da vor der Tür ihn mit dem Messer zerteilt. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Hier gibt es so selten etwas Frisches zu essen. Das Süßeste, was ich in all den Monaten bei den Zwergen hier im Wald gegessen habe, waren Rüben. Und dieser Apfel ist bestimmt süß. Er sieht prall und reif aus, und sie hat es ja auch gesagt… Sie hält mir eine Hälfte hin, ich sehe das weiße Fruchtfleisch und meine sogar, es riechen zu können. Aber ich soll nichts von Fremden annehmen. Kein Wort, kein Lächeln, keine Gaben. Es ist so…