Liebes Tagebuch...,  Visuelles,  Workshop

Menschenschattentheater

Meine erste Bühnenerfahrung habe ich in dem gutbürgerlichen Gymnasium gemacht, in dessen typischer Siebzigerjahre-Betonarchitektur ich bedeutende Teile meiner Jugend verbrachte. Dort gab es eine Theater AG, und ich spielte in einer Aufführung des Stücks „Ferdinand der Stier“ nach Munro Leafs gleichnamigem Kinderbuch mit. Im Chor der singenden Blumen auf der Wiese ging ich dabei ziemlich unter – weit besser gefiel mir meine Rolle als Schlachterin, bei der ich nichts sagen, sondern nur mit blutverschmierter Schürze, Messer in der Hand und fiesem Grinsen im Gesicht über die Bühne laufen musste. Dafür gab es Gelächter und Szenenapplaus.

Jahre später nahm sich die Theater AG das Musical „Hair“ vor. Ich hatte den Einstieg verpasst, hörte nur meinen Mitschüler:innen ihre Texte ab und war vielleicht die einzige im Jahrgang, die sich in der Probezeit überhaupt noch die Haare schnitt. Die Aufführungen konnte ich auf diese Weise ganz entspannt im Publikum genießen, und mich herrlich über die Effekte der „Fake-Joints“ amüsieren, die da auf offener Bühne vor versammelter Lehrer:innen- und Elternschaft konsumiert wurden… 

In dem Musical gibt es ein Stück, in dem junge Frauen ihre Vorlieben für „Black Boys“, oder eben „White Boys“ besingen. Ein großer Spaß, dass diese vermeintliche Appetitlichkeit durch unsere Mitschüler dargestellt werden sollte! Immerhin wurde das Problem fehlender “Black Boys” elegant gelöst. Nämlich nicht durch Blackfacing, sondern mittels Schattentheater: Ein paar männliche Mitglieder unseres Jahrgangs posierten sehr leicht bekleidet hinter weißen, von hinten angestrahlten Vorhängen, so dass ihre Schatten schwarz auf weiß die von den Mädels besungenen Gelüste und Vorlieben illustrierten.

Dass ich mich neulich an diese Szenen erinnerte, und dass ich nun bummelig 25 Jahre später selbst nochmal zum Schatten wurde, habe ich Elvira Wrensch zu verdanken, die uns neulich zum Spielen einlud…

Hier sieht man das Setup: Ein Laken als Leinwand, die Bühne dahinter und den Zuschauer:innenraum.

Auch dies erinnerte mich an Schulzeiten: als Lichtquelle und Hintergrund-Ebene der Szenerie diente eine Weiterentwicklung des guten alten Overhead-Projektors, auch Polylux genannt. Drum herum liegen allerlei Formen und Materialien, mit denen wir experimentieren durften. Das sieht dann als Schatten zum Beispiel so aus:

Drahtflitterschmuck
Knibbelfolie
Aus einem Halstuch kann alles mögliche werden...
...und Federhut steht allen gut!
Gefangen in ... Packmaterial!
Und was ist das? Ein Anti-Schatten? Hier hätte ich Euch gerne ein Video gezeigt, denn dann würde man die Schwalbe im Flug besser erkennen und über ihre Eleganz staunen. Hier wird eine einzelne LED auf ein spiegelndes Objekt gerichtet, das dann dieses Licht auf die ansonsten im dunkeln liegende Bühnen-Leinwand wirft. Schöner als jede Lasershow oder Computeranimation!
Hier diskutieren die Söhne des Königs
... und hier hinter der Bühne Prinz und Zaubervogel.
Danke für den Zauber, liebe Elvira!

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